China II

Das Reich der Mitte

Wie ich es mir schon bei meinem letzten China-Aufenthalt gedacht habe, so ist es gekommen. Das Reich der Mitte birgt einfach zu viele interessante Sehenswürdigkeiten für einen Mitteleuropäer. Ich musste wieder hin.

Bevor ich mich mit meiner Reisegruppe traf, machte ich vorher noch einen Abstecher nach Chengde, der alten Kaiserstadt nördlich von Peking. Ich fuhr mit dem Zug, allein unter Chinesen, was schon mal für erstaunte Gesichter sorgte. Eine Langnase saß mitten unter ihnen. Für mich ein tolles Erlebnis. In einem Zugabteil kann man so einiges erleben. Da machte ein Chinese spezielle Übungen, seine Muskeln geschmeidig zu halten; ein anderer wiederum ratschte ziemlich laut mit seinem Gegenüber; wiederum andere brotzeiteten auf chinesische Art oder hielten ein Nickerchen. Der Lärmpegel war relativ hoch.

Chengde war für mich eine mehr als interessante Stadt. Es gibt hier sehr viele Tempel und Klöster zu besichtigen, die allesamt gut erhalten und nicht überlaufen sind. Touristen verirren sich selten hier her, außer vielleicht einem Bayern aus Regensburg.

Und abends ging ich in ein Restaurant unweit meines Hotels. Gleich sechs oder sieben junge Chinesinnen begrüßten mich mit einer tiefen Verbeugung an der Eingangstür, geleiteten mich zu einem Tisch und übergaben mir die Speisekarte. Natürlich auf Chinesisch, aber bebildert. Meine örtliche Reiseleiterin hatte mich vorher noch gefragt, was ich gerne essen möchte und dies mir auf einen Zettel in chinesischer Schrift aufgeschrieben. Aber wie heißt es so schön: „Selbst ist der Mann!" Ich ließ den Zettel Zettel sein und bestellte mit Händen und Füßen. Man verstand mich, obwohl ich kein Chinesisch sprach und die Chinesen weder Deutsch noch Englisch konnten. Nur das seltsame Stirnrunzeln verhieß irgendwie nichts Gutes. Schließlich kamen mehrere Teller, aber nicht wie ich gedacht habe mit einer kleinen Portion, sondern ausreichend für eine ganze Fußballmannschaft. Nach kurzem Stutzen musste ich lachen und die Chinesen um mich herum lachten mit. Schon hatten wir das Eis gebrochen und ich lud sie ein mitzuessen.

Die Reise selbst führte mich zu wirklich einmaligen Sehenswürdigkeiten wie dem hängenden Kloster Heng Shan, bei dem man meinen könnte, es wurde an die Felsen geklebt, die Yungang-Grotten bei Datong mit ihren einzigartigen Buddhafiguren oder die kleine Stadt Pingyao mit seiner intakten Stadtmauer und seinen alten Gebäuden, wodurch man sich in die frühere Kaiserzeit zurückversetzt fühlt. Weiter Höhepunkte waren die Terrakotta-Armee von Xi'an und die kleinere unbekanntere Terrakotta-Armee von Xuzhou, um nur einiges zu erwähnen.

Ein kulinarischer Hochgenuss war das Pekingente-Essen in der Hauptstadt, wobei der Feuertopf in Xi'an nicht zu verachten war.

Auch jetzt kann ich nur sagen, China mit seiner einzigartigen Kultur wird mich so schnell nicht loslassen, vorallem, wenn man Überland fährt und das Leben im ländlichen China erlebt.

 

Juni 2011, R. J.